DIE LINKE: Einrichtung einer Kommission beim Bundesministerium der Finanzen zur Evaluierung der Staatsleistungen seit 1803

Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Sigrid Hupach, Christine Buchholz, Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Kersten Steinke, Azize Tank, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4842, 18. Wahlperiode / 06.05.2015

Der Bundestag wolle beschließen:

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Die beiden großen Kirchen in Deutschland selbst haben mehrfach die Bereitschaft geäußert, über die Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln. Auch aus den Ländern gibt es Forderungen nach einer Harmonisierung der gegenwärtigen Zuwendungen. So forderte im Jahr 2011 der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein in seinem Jahresbericht eine Anpassung der Kirchenverträge an die geänderten Verhältnisse. Dazu bedarf es als erste Maßnahme einer bundesweiten Bestandsaufnahme über den Wert des enteigneten Kircheneigentums und des Umfangs der bisher geleisteten Entschädigungszahlungen durch den Staat. Andernfalls werden die Staatsleistungen zu einer Ewigkeitsrente, was dem Verfassungsauftrag von 1919 eindeutig entgegensteht.

Problematisch ist und bleibt die Bestimmung der Höhe des Wertes der Kirchenverluste während der Säkularisierung. Umfang und Struktur der Staatsleistungen besitzen eine hohe Komplexität. Die historische Komponente ist dabei nicht zu unterschätzen. Zudem ist der Bundesregierung laut einer Schriftlichen Frage vom 29. Juni 2010 (Bundestagsdrucksache 17/2372) und einer Antwort auf eine Kleine Anfrage vom 13. November 2013 (Bundestagsdrucksache 18/45) der Umfang der gezahlten Staatsleistungen seit Mitte der 1990iger Jahre nicht bekannt, da die Zahlung seitdem ausschließlich im Verantwortungsbereich der Bundesländer liegt.

 

II.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine Expertenkommission beim Bundesministerium der Finanzen einzurichten, die den Umfang der enteigneten Kircheneigentümer und der bisher geleisteten Entschädigungszahlungen evaluiert und prüft. Diese soll aus Expertinnen und Experten wie (Kirchen-)Historikerinnen und (Kirchen-)Historikern, Kirchen- und/oder Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern, Ökonominnen und Ökonomen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer sowie der beiden großen Amtskirchen zusammengesetzt sein. Die Expertenkommission hat die Aufgabe,

1. den Wert der Säkularisationsverluste von 1803 (enteignete Kirchengüter während der staatlichen Säkularisation als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses) der Kirchen zu ermitteln,

2. den Wert der seit Inkrafttreten des Verfassungsauftrages zur Ablösung von 1919 erfolgten Abgeltung dieses Verlustes in Form von staatlichen Entschädigungszahlungen durch die Länder und den Bund zu ermitteln,

3. zu prüfen und zu bewerten, inwieweit die Säkularisierungsverluste von 1803 durch die seit 1919 geleisteten staatlichen Entschädigungsleistungen angemessen ausgeglichen wurden und

4. Vorschläge zu unterbreiten, welche Konsequenzen der Gesetzgeber in Hinblick auf den zukünftigen Umgang mit der Zahlung von Staatsleistungen aus der Evaluierung ziehen sollte.