Wie die Kirche sich von den Heiden finanzieren lässt

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Von Melanie Amann

Die Kirchen leben längst nicht nur von der Kirchensteuer. Das meiste Geld, das Bischöfe und Pfarrer ausgeben, kommt vom säkularen Staat. Vieles fließt aber nicht unmittelbar an die Kirchen als Körperschaften, sondern an Hilfswerke, Bildungseinrichtungen und Stipendienprogramme.
(…) Wie Peanuts sehen daneben die etwa 450 Millionen Euro aus, welche die Kirchen jedes Jahr von den Bundesländern verlangen. Aber diese “Dotationen” genießen mehr politische Aufmerksamkeit, weil sie zum Teil auf jahrhundertealten Ansprüchen der Kirche beruhen.
(…) Da viele Uralt-Verträge heutige Landesgrenzen sprengen, teilweise überarbeitet, abgelöst, aufgehoben oder ergänzt wurden, bilden sie ein Gestrüpp, das wenige Kirchenjuristen durchblicken. Aber eines sagen alle: Mal eben kündigen geht nicht. Ein Verkehrssünder könne sein Opfer auch nicht eine Weile lang entschädigen und dann sagen: “Jetzt reicht’s! Das wird zu teuer.”
Aber die Länder könnten sich freikaufen, heißt es, etwa mit einer Einmalzahlung. Aus den Erträgen des Kapitals könnte die Kirche dann alle Kosten bestreiten. Eigentlich müssten die Länder darüber verhandeln, das schreibt die Weimarer Reichsverfassung vor, die in dieser Hinsicht bis heute gilt. Tatsächlich hatten Politiker aus dem Saarland, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen angekündigt, man werde mit der Kirche verhandeln. Passiert ist bisher wenig. Nur in Schleswig-Holstein laufen Gespräche, vorerst nur auf Arbeitsebene, bestätigte das Kultusministerium. Aber das erste offizielle Treffen zwischen dem Staatssekretär und Kirchenvertretern soll noch vor Weihnachten stattfinden.

Interview mit Bischof Müller:
FAZ: Wie kommt es, dass die Kirche sich Ihr Gehalt spart und der Steuerzahler dafür aufkommt?
Müller: Der Staat verteilt damit keine Wohltaten, er erfüllt eine Rechtspflicht. Die hat historische Gründe. Große Teile des Kirchenvermögens wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in einem Gewaltakt eingezogen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Fürsten in Konkordatsverträgen mit der katholischen Kirche, die Baulast für kirchliche Gebäude zu übernehmen und einzelnen Klerikern den Lebensunterhalt zu sichern.

FAZ: Diese Regel ist 200 Jahre alt.
Müller: Manche Verträge gelten unverändert bis heute, andere wurden durch neue Absprachen ersetzt. Grundsätzlich gilt: Pacta sunt servanda.
Wann ist die Schuld der Steuerzahler-Fürsten abgestottert?
Die Verträge haben keine zeitliche Begrenzung. Das heißt natürlich nicht, dass sie ewig gelten müssen. Aber in einem Rechtsstaat können sie nicht über Nacht aufgekündigt werden. Die Kirche wird eine gesetzliche Ablösung des Staates aus seinen Pflichten nur gegen Entschädigung akzeptieren können. Wir sind bereit, darüber mit den Verantwortlichen zu verhandeln.

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